Kuchen und seine schlimmen Folgen

Schon seit vielen Jahren wohnt die alte Frau Peters zusammen mit ihrem Mann in einer beschaulichen Wohnung in Lübeck. Damals musste sie aus beruflichen Gründen aus ihrer Heimatstadt Berlin in die Hansestadt ziehen und bereut seitdem keinen einzigen Tag in dieser wunder­schönen Stadt. Schließlich ist Lübeck eine Stadt ganz nach ihrem Geschmack.

Kuchen und seine schlimmen Folgen

Eines Tages kam sie nachmittags vom Einkaufen zurück und ging voll bepackt das Treppenhaus nach oben zu ihrer Wohnung. Just in dem Moment, als sie ihre Ein­kaufs­taschen abgestellt hatte und in der Jackentasche nach dem Schlüssel suchte, kam ihre Nachbarin Frau Adler aus der Tür. Frau Adler ist nicht nur eine Nachbarin, sondern auch eine gute Freundin, die immer ein offenes Ohr für die Sorgen von Frau Peters hat. Nach der herzlichen Begrüßung folgte erst mal ein kurzer Plausch über die neuesten Ereignisse in der Nachbarschaft. Nicht lange blieb der frische Kuchenduft, der aus Frau Adlers Wohnung kam, von Frau Peters unbemerkt und prompt lud Frau Adler ihre gute Freundin zu einem gemeinsamen Stück und einer Tasse Kaffee ein. Sie machten eine Zeit aus, schließlich wartete noch der Einkauf von Frau Peters vor der Tür, der zunächst verstaut werden musste.

Schnell huschte sie in die Wohnung, legte den Schlüssel im Flur auf den Tisch und fing an, eilig die Sachen auszupacken. Eier, Butter, und Milch verstaute sie im Kühlschrank, Saft, Zwiebeln, Kartoffeln kamen in die Speisekammer. Das Gemüse ließ sie draußen auf der Küchenzeile für das Abendessen liegen. Noch schnell die lästige Winterkleidung an der Garderobe aufgehängt und dann ging es auch schon los.

In der Wohnung von Frau Adler vermischten sich bereits Kuchen- und Kaffeeduft miteinander und luden zum Verweilen ein. Stolz präsentierte sie ihrer Nachbarin den selbst­ge­backenen Kuchen, eine Art Zupf­kuchen mit Birnen und Zimt. Nach ungefähr zwei Stunden hatten beide Damen ein ganzes Viertel verzerrt und auch einige Tassen Kaffee getrunken. Da die Zeit so schnell verging und es bald Abend sein würde, verabschiedete sich Frau Peters, bedankte sich für den leckeren Kuchen und die nette Gastfreundschaft und schlug vor, den Nachmittag zu wiederholen, jedoch dann in ihrer Wohnung.

Gut gelaunt und gesättigt machte sie sich auf den Weg zur Wohnung, hielt jedoch inne und merkte, dass etwas wichtiges in ihrer Tasche fehlte - ihr Hausschlüssel. Ungläubig durch­suchte sie auch die restlichen Taschen, doch Fehlanzeige, der Schlüssel war nicht da. Frau Adler, die noch an der Tür gewartet hatte, schlug vor, nochmal in ihrer Wohnung zu gucken, vielleicht sei der Schlüssel ja rausgefallen.

Während dem Durchsuchen der Wohnung fiel es Frau Peters plötzlich wieder ein. Der Schlüssel liegt noch auf dem Tischchen im Flur. In der ganzen Hektik und Vorfreude hatte sie komplett vergessen, ihn einzustecken. Etwas ratlos und aufgebracht rannte sie umher und überlegte, wie sie nun wieder in ihre Wohnung kommen sollte. Ihre Freundin beruhigte sie und erzählte ihr, dass dies keine schlimme Sache sei, sie wisse was zu tun ist. Sie müsse nur den Schlüsseldienst Schultz aus Lübeck anrufen und das Problem sei schnell gelöst. Er würde schnell vor Ort sein und ohne große Kosten und Beschädigungen die Tür wieder öffnen.

Gesagt, getan. Sichtlich beruhigt und erleichtert von diesem Ratschlag, setzte sich Frau Peters auf die Couch und überließ Frau Adler das Telefonieren. Es vergingen nur wenige Minuten und der Hörer konnte schon wieder zur Seite gelegt werden. Frau Adler berichtete von dem netten jungen Mann am Telefon und davon, dass sie wohl nicht die einzigen älteren Damen seien, die auf Hilfe angewiesen sind.

Um die kurze Wartezeit bis zum Eintreffen des Fachmannes zu überbrücken, tranken beide noch eine Tasse Kaffee und Frau Adler erzählte von einer ähnlichen Si­tua­tion, in der sie sich selbst ausgesperrt hatte. Damals hatte ihre Tochter ihr diesen Schlüsseldienst empfohlen und sie war sofort begeistert von der professionellen Leistung.

Nach einer knappen halben Stunde klingelte es an der Tür und der Schlüsseldienst stand davor. Der nette Mann öffnete die Tür so schnell, dass nicht mal Frau Peters mitbekam, wie er es bewerkstelligte. Überglücklich dankte sie ihrem Retter in der Not, der von Frau Adler noch ein Stück Kuchen auf die Hand bekommen hat. Er verabschiedete sich dankend und sagte, dass die Rechnung in ein paar Tagen per Post kommen würde. Für den Augenblick bekam Frau Peters nur einen kleinen Quittungsbeleg, der einen über­raschend niedrigen Preis aufwies. Zurück in ihrer eigenen Wohnung konnte sie nun auch endlich das Abendessen vorbereiten.

Eine Stunde später kam ihr Mann von der Arbeit und sie setzten sich gemeinsam an den Essenstisch. Durch die viele Aufregung und den Kuchen aß sie jedoch kaum etwas, was auch ihrem Mann auffiel. Er guckte sie verwundert an und fragte, ob alles in Ordnung sei. Sichtlich beschämt erzählte sie ihm die ganze Geschichte, woraufhin er nur lachend sagte: "Ach Lieschen, kaum riechst du einen Kuchen, vergisst du alles um dich herum."